Uraniens Flucht
Laßt uns, ihr Himmlischen, ein Fest begehen!'
Gebietet Zeus -
Und von der Unterwelt, den Höh'n und Seen,
Steigt Alles zum Olympus unverweilt.
Der Rebengott verläßt, den er bezwungen,
Des Indus blumenreichen Fabelstrand -
Des Helikons erhabne Dämmerungen
Apoll, und Cypria ihr Inselland.
Die Strömerinnen moosbesäumter Quellen,
Dryadengruppen aus dem stillen Hain,
Und der beherrscht des Ozeanes Wellen,
Sie finden willig sich zum Feste ein.
Und wie sie nun in glänzenden Gewanden
Den ew'gen Kreis, an dem kein Wechsel zehrt,
Den blühenden, um unsern Donn'rer wanden,
Da strahlt sein Auge jugendlich verklärt.
Er winkt; und Hebe füllt die goldnen Schalen,
Er winkt; und Ceres reicht Ambrosia,
Er winkt; und süße Freudenhymnen schallen;
Und was er immer ordnet, das geschah.
Schon rötet Lust der Gäste Stirn' und Wange,
Der schlaue Eros lächelt still für sich;
Die Flügel öffnen sich - im sachten Gange
Ein edles Weib in die Versammlung schlich.
Unstreitig ist sie aus der Uraniden
Geschlecht', ihr Haupt umhellt ein Sternenkranz;
Es leuchtet herrlich auf dem lebensmüden
Und bleichgefärbten Antlitz Himmelsglanz.
Doch ihre gelben Haare sind verschnitten,
Ein dürftig Kleid deckt ihren reinen Leib.
Die wunden Hände deuten, daß gelitten
Der Knechtschaft schwere Schmach das Götterweib.
Es spähet Jupiter in ihren Zügen;
'Du bist - du bist es nicht, Urania!'
'Ich bin's.' - Die Götter taumeln von den Krügen
Erstaunt, und rufen; wie? Urania!
'Ich kenne dich nicht mehr. In holder Schöne'
Spricht Zeus - 'zogst du von mir der Erde zu.
Den Göttlichen befreunden ihre Söhne
In meine Wohnung leiten solltest du.
Womit Pandora einstens sich gebrüstet,
Ist unbedeutend wahrlich und gering,
Erwäge ich, womit ich dich gerüstet,
Den Schmuck, den meine Liebe um dich hing.'
'Was du, o Herr, mir damals aufgetragen
Wozu des Herzens eigner Drang mich trieb,
Vollzog ich willig, ja ich darf es sagen;
Doch daß mein Wirken ohne Früchte blieb.
Magst du, o Herrscher, mit dem Schicksal rechten,
Dem alles, was entstand, ist untertan;
Der Mensch verwirrt das Gute mit dem Schlechten,
Ihn hält gefangen Sinnlichkeit und Wahn.
Dem Einen mußt' ich seine Äcker pflügen
Dem Andern Schaffnerin im Hause sein,
Dem seine Kindlein in die Ruhe wiegen,
Dem Andern sollt' ich Lobgedichte streu'n.
Der Eine sperrte mich in tiefe Schachten,
Ihm auszubeuten klingendes Metall;
Der Andre jagte mich durch blut'ge Schlachten
Um Ruhm - so wechselte der Armen Qual.
Ja dieses Diadem - die goldnen Sterne -
Das du der Scheidenden hast zugewandt,
Sie hätten es zur Feuerung ganz gerne
Bei winterlichem Froste weggebrannt.'
'Verwünschte Brut,' herrscht Zeus mit wilder Stimme,
'Dem schnellsten Untergang sei sie geweiht!'
Die Wolkenburg erbebt von seinem Grimme
Und Luft und Meer und Land erzittern weit.
Er reißt den Blitz gewaltsam aus den Fängen
Des Adlers; über'm hohen Haupte schwenkt
Die Lohe er, die Erde zu versengen,
Die seinen Liebling unerhört gekränkt.
Er schreitet vorwärts, um sie zu verderben,
Es dräut der rote Blitz, noch mehr sein Blick.
Die bange Welt bereitet sich zu sterben -
Es sinkt der Rächerarm, er tritt zurück,
Und heißt Uranien hinunter schauen.
Sie sieht in weiter Fern' ein liebend Paar
Auf einer grünen stromumflossnen Aue,
Ihr Bildnis ziert den ländlichen Altar,
Vor dem die Beiden opfernd niederknieen,
Die Himmlische ersehnend, die entflohn;
Und wie ein mächtig Meer von Harmonien
Umwogt die Göttin ihres Flehens Ton.
Ihr dunkles Auge füllet eine Träne,
Der Schmerz der Liebenden hat sie erreicht;
Ihr Unmut wird, wie eines Bogens Sehne
Vom feuchten Morgentaue, nun erweicht.
'Verzeihe,' heischt die göttliche Versöhnte;
'Ich war zu rasch im Zorn, mein Dienst, er gilt
Noch auf der Erde; wie man mich auch höhnte,
Manch frommes Herz ist noch von mir erfüllt.
O laß mich zu den armen Menschen steigen,
Sie lehren, was dein hoher Wille ist,
Und ihnen mütterlich in Träumen zeigen
Das Land, wo der Vollendung Blume sprießt.'
'Es sei,' ruft Zeus, 'reich will ich dich bestatten;
Zeuch, Tochter, hin, mit frischem starken Sinn!
Und komme, fühlst du deine Kraft ermatten,
Zu uns herauf, des Himmels Bürgerin.
Oft sehen wir dich kommen, wieder scheiden,
In immer längern Räumen bleibst du aus,
Und endlich gar - es enden deine Leiden
Die weite Erde nennst du einst dein Haus.'
'Da, Dulderin! wirst du geachtet wohnen,
Noch mehr, als wir. Vergänglich ist die Macht
Die uns erfreut; der Sturm fällt unsre Thronen,
Doch deine Sterne leuchten durch die Nacht.'
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